Bevor es mit der Bildergalerie weitergeht, streue ich mal wieder einen Lese- bzw. Hörbericht ein.
The Damned Emperors 2: Commodus
Format: Hörbuch (ungekürzt)
Autor: Simon Turney
Sprecherin: Helen Keeley
Wer "Gladiator" gesehen hat, weiß längst: Kaiser Commodus war ein gefährlicher Irrer. Sein autoritäres Regime stützte sich auf populistische Spektakel. Und sein Tod markiert deshalb eine historische Wende. Im Film ist das die Rückkehr Roms zu demokratischen Verfassungsprinzipien. Die ungenannte Vorlage, der "Fall of the Roman Empire" von 1964, setzt dagegen hier noch den Anfang des titelgebenden Endes. Und eben diese Abstiegsgeschichte schöpft ihrerseits aus den Gegenwartsdiagnosen antiker Autoren, die sich seit der Herrschaft Commodus in einem
"Zeitalter von Eisen und Rost" wähnten.
Anders gesagt, beginnt pünktlich zum 31. Dezember 192 das 3. Jahrhundert. Ein Grund mehr für mich, dem Roman von Simon Turney zu diesem "Damned Emperor" zu geben. Ich wollte aber auch einen Eindruck gewinnen, bevor ich mich auf seine zeitlich sehr ähnlich gelagerte "Praetorian"-Serie einlasse. (Turney hat auch eine Reihe zu Kaiser Konstantin mitverfasst; aber nach
Ian Ross' grandioser Bearbeitung habe ich da erstmal keinen Bedarf.)
Turneys Anliegen ist es, die 'Verrücktheit' seines Protagonisten aufzuklären. Wie so oft soll also dessen "wahre Geschichte" enthüllt werden. Der schriftstellerische Kniff besteht darin, diese Perspektive von einer Begleitfigur entwickeln zu lassen: Marcia, der Sandkastenliebe des designierten Kaisers. Sie ist Zeugin frühkindlicher Prägungen wie ihrer Auswüchse im Erwachsenenleben des Commodus. Nicht selten wird sie sogar als Anstifterin bekannter Extravaganzen des Kaisers inszeniert. Diese intime Nähe zum Geschehen macht sie aber zugleich zu einer problematischen Erzählerin: Ihr Blick ist ständig getrübt von Gefühlen. Ihre wenigen rationalen Handlungen sind deshalb letztlich ebenso triebgesteuert, und sie mutiert unabsichtlich, aber unweigerlich zur
femme fatale. Allerdings scheint es auch nur für Männer andere Handlungsoptionen zu geben. – Man mag das als 'historisch korrekt' entschuldigen. Ich finde das reichlich stereotyp und die weibliche Hauptfigur damit verschenkt.
Denn ein wirklich origineller Blick ergibt sich nicht. Im Grunde schreibt Turney bloß die – an sich schon romanhaften – Quellentexte um. Seine entscheidende Zutat ist die Psychologisierung. Im Nachwort gibt der Autor dann sogar zu, dass er eigentlich nur eine psychoanalytische Auflösung des historisch überlieferten Cäsarenwahns gesucht hat. Welchen Wert solche Ferndiagnosen haben, weiß wahrscheinlich jeder. Und selbst das gab es eigentlich schon, wenn man an die "daddy issues" des jüngeren Film-Commodus denkt.
Es gibt dagegen wissenschaftliche Arbeiten, die Handlungen des Kaisers schlicht als Politik zu erklären versuchen. Etwa seine Selbstinszenierung als Herkules sollte ihn als "lebenden Staatsgott" politisch unangreifbar machen. Viele fanden das gut. Außer den Senatoren, die sich zu Recht kaltgestellt fühlten und ihre Arbeit gegen den Kaiser im Nachhinein als notwendigen Tyrannenmord rechtfertigen konnten. – Zuweilen hatte ich das Gefühl, Turney wollte eigentlich eine solche historische Studie schreiben, hatte aber keine Lust auf Belege oder eine halbwegs schlüssige Erzählung. (Zugegeben, hier habe ich einen
personal bias, weil ich mich vor Jahren
selbst mal an dem Thema versucht hab.)
Vielleicht herrscht deshalb auch ein ziemlich naiver Ton. Viel
period detail bleibt skizzenhaft, Orte und Charaktere sind oft bloße Kulisse. Ich bin zwar kein Fan von oberlehrerhaften Erklärungen (außer sie kommen von mir ? ), hatte aber auch nicht den Eindruck, der Autor würde sich für sein Setting sonderlich interessieren oder hätte vertiefte Kenntnisse darüber. Entschuldigt werden soll das wohl mit der Perspektive einer Frau, die ohne jede Vorbereitung durch Hofintrigen und über Schlachtfelder stolpert. Ob das der
historischen Marcia gerecht wird, sei dahingestellt.
Um ganz ehrlich zu sein, hab ich mich durch das Buch eher durchgequält – so wie alle, die bis hierher gelesen haben. Ich wollte den Roman wirklich mögen. Weil es mal keine
military fiction ist, aber auch keine Wanderhuren-Geschichtsklitterung. Ich glaube leider nicht, dass er für Leser, die noch gar nichts über Commodus und seine Zeit wissen, ein Augenöffner sein kann. Dafür fehlt es der Erzählung einfach an Spannung und der Protagonistin an Sympathiepunkten. Die Hörbuchfassung macht es nicht besser: Auch wenn sich Helen Keeley redlich müht, mit anderen Stimmlagen den weinerlichen Bericht der Ich-Erzählerin aufzulockern, fühlte ich mich deren Opferperspektive nur noch stärker ausgeliefert.
Der Roman ist inzwischen auf Deutsch erschienen, vielleicht folgt ein entsprechendes Hörbuch. Mir reicht's erstmal mit diesem Autor und ich vergebe
2 von 5 Herkuleskeulen