Willkommiget auf der Scheibenwelt - Diskussionen rund um diese!

Da wir bereits über die Verfilmungen sprachen, wollte ich noch eine Empfehlung für die Umsetzung von "Going Postal" aussprechen: meines Erachtens die beste szenische Visualisierung eines Scheibenweltromans bislang, die Schauspieler fügen sich ausnahmslos gut in die Rollen der teils doch sehr verschrobenen Charaktere ein. Es ließe sich anführen, dass der Streifen mit 185 Minuten ziemlich langatmig ist und schon die Vorlage eher mittelmäßig (reine Geschmackssache, versteht sich), aber die Länge hilft, das eigentlich undarstellbare Ankh-Morpork atmosphärisch dergestalt aufzuladen, dass man darüber hinwegzusehen bereit ist, dass die filmische Spiegelung A.-M.s nicht mit der eigenen, durch viele Romane gereiften Phantasievorstellung übereinstimmt. Darüber hinaus enthält die zweite DVD üppiges Zusatzmaterial, das großteils nicht langweilt - ein Prädikat für sich. 😉

Und um das Thema anderweitig am Leben zu erhalten: was war denn euer Einstieg in die Scheibenwelt? Und abseits der Charaktere: welche der Bücher (bzw. Buchreihen) empfindet ihr als besonders stark und schwach?
 
Und um das Thema anderweitig am Leben zu erhalten: was war denn euer Einstieg in die Scheibenwelt? Und abseits der Charaktere: welche der Bücher (bzw. Buchreihen) empfindet ihr als besonders stark und schwach?
Mein Einstieg war gleichzeitig auch der offiziell erste Scheibenwelt Roman (Farben der Magie?). Das liegt daran, dass ich da irgendwie etwas eigen bin, wenn mir jemand eine Buchreihe empfiehlt, dann will ich sie in korrekter Reihenfolge lesen. Und genau das war der Fall, Freunde haben mir die Scheibenwelt Romane empfohlen und so habe ich dann nahezu alle am Stück gelesen, mit kleinen Pausen, in denen ich dann andere Romane gelesen habe. Meine liebste Reihe innerhalb der Scheibenwelt sind die Hexen, inklusive Tiffany, dicht gefolgt von der Stadtwache. Die UU kommt dann mehr oder weniger an dritter Stelle, die Szenen die in der UU spielen und der Bibliothekar sind schon sehr gut.
 
Die Farben der Magie war auch mein Einstieg (intressanter Weise von Goldmann mit diesem schwarzen Rand, den seinerzeit die Fantasy Bücher von Goldmann hatten) danach habe ich so nach und nach alles verschlungen. Ein richtiger Ausfall war mMn nicht dabei und ich habe auch nie das Gefühl von Langeweile oder Wiederholung gehabt.

Die neueren habe ich noch nicht gelesen. Irgenwann ging es mir doch auf den Geldbeutel gleich die teuren HC zu kaufen. "Der Club ... " hatte auch schlechte Kritiken bekommen, meine ich mich zu erinnern. Aber die werde ich mir als TBs auch noch zulegen. Hat aber keine Eile. Aktuell leigt bei mir der "Winterschmied" und wartet darauf, dass ich 2,5 40K Romane beende ;-)
 
Und um das Thema anderweitig am Leben zu erhalten: was war denn euer Einstieg in die Scheibenwelt? Und abseits der Charaktere: welche der Bücher (bzw. Buchreihen) empfindet ihr als besonders stark und schwach?

Mein Einstieg war "Wachen! Wachen!" und das Buch bleibt auch bis heute mein Liebling in der Scheibenwelt-Reihe. Kann mich nicht erinnern dass ich jemals beim Lesen eines Buches so viel gelacht habe. Teilweise musste ich mir die Tränen aus den Augen wischen weil ich die Buchstaben nicht mehr erkennen konnte 😀
Generell mag ich auch die Bücher um die Stadtwache am Liebsten.
 
Farben der Magie. Danach habe ich sehr lange keinen Scheibenweltrman mehr gelesen, weil ich den sehr langweilig fand und mich gewundert habe, was an der Scheibenwelt so toll sein soll
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So wäre es mir mit Sicherheit auch ergangen, wäre dies mein Erstlingswerk gewesen. Glücklicherweise teile ich Eugels Los, mit demselbem Resultat.

Ich finde ja, dass a) die Erstlingswerke, b) die neuesten Werke und c) überhaupt diejenigen Bücher, die - ganz oder zu großen Teilen - abseits der Hauptreihen spielen (als da z.B. wären "Pyramiden", "Voll im Bilde", "Rollende Steine" und "Weiberregiment"), besonders wenig erinnerungswürdig sind bzw. keine wirkliche Atmosphäre einfangen (mit der markanten Ausnahme von "Einfach göttlich"). Richtig mit den Hexenromanen werde ich auch nicht warm - ich liebe die sprühende Shakespearerei und das Aufspießen sowohl der Commedia dell'arte als auch der Kommerzialisierung heutiger Bühnen"kunst" in "Mummenschanz", finde aber die Handlung bisweilen eindimensional und vorhersehbar. Esme Wetterwachs ist in gewisser Weise dem guten Mumm sehr ähnlich (beide Charaktere halten an ihren Prinzipien ehern fest, um nicht abzutreiben in den inneren Dämon des Gackerns bzw. der Rufenden Dunkelheit), insgesamt ist Ihro Gnaden aber ein wesentlich interessanterer, plastischerer Charakter.

Am liebsten sind mir auch die Abenteuer der Stadtwache, mit Ehrenplätzen für "Wachen! Wachen!", "Helle Barden" und "Hohle Köpfe". Politisch fast triviale Aussagen (republikanische Staatsformen als Fortschritt gegenüber Erbmonarchien, Rassismus/Speziesismus ist natürlich in Form des Vorurteils, solange es nicht in Ressentiments auswächst, Hurrapatriotismus dient den arrivierten bzw. arrivierenden Politikern zum Machterhalt) werden so unaufdringlich und humorvoll eingeschleust, dass es tatsächlich Spaß macht, sich belehren zu lassen (ob nun auf Dauer, ist eine andere Frage). Das einfache Leben der Stadtwache in all seiner Dumpfheit und Zählebigkeit wird in effigie festgehalten und erweckt ein größeres Panorama zum Leben. Die Charakterstudien sind eindringlich und psychologisch überaus raffiniert inszeniert - der Leser kümmert sich um das Wohl und Wehe seiner erfahrbar gemachten Schützlinge.

Meine liebste Reihe innerhalb der Scheibenwelt sind die Hexen, inklusive Tiffany [...]
Magst Du mal den Einschub näher ausführen? Wir schnitten die Sachlage vor zwei Jahren einmal an und Du erwähntest, dass Du die gute Tiffany deswegen magst, weil sie "anders" wirkt und die Bücher neue Eindrücke vermitteln. Aber was genau schätzt Du daran? Gerade in Abhebung zu dem restlichen Potpourri?
 
Magst Du mal den Einschub näher ausführen? Wir schnitten die Sachlage vor zwei Jahren einmal an und Du erwähntest, dass Du die gute Tiffany deswegen magst, weil sie "anders" wirkt und die Bücher neue Eindrücke vermitteln. Aber was genau schätzt Du daran? Gerade in Abhebung zu dem restlichen Potpourri?
Das kann ich irgendwie schwer beschreiben. Ich lese im Laufe eines Jahres so viele Bücher, dass es mir zugegeben schwer fällt mich heute noch wirklich im Detail an die Bücher zu erinnern (ich habe die Pratchett Bücher so ca. 2007-2009 gelesen, danach nur noch einzeln die Bücher, die erst später erschienen sind). Aber gefühlsmäßig sind mir die Bücher mit den Hexen am meisten in Erinnerung geblieben, Tiffany hat mich sicher auch deshalb so begeistert, weil ich die "Wee free men" so toll finde. Die Bücher über Tiffany sind wohl, soweit ich das gelesen hatte, auch für ein jüngeres Publikum gedacht, ich denke das kann man so als Leser bestätigen. Das macht sie "anders" und unterscheidet sie von den anderen Scheibenweltromanen. Es geht da halt schon um ein Klischeethema von Jugendbüchern, ums erwachsen werden, dafür gibt es wohl weniger Realwelt Anspielungen, die das junge Publikum wahrscheinlich noch nicht kennen würde. Von Tiffany abgesehen finde ich einfach Nanny Ogg genial, das derbe, die zotigen Sprüche und wie sie mit den Menschen umgehen kann macht einfach Spaß. Als Fazit kann ich eben sagen, dass ich es nicht so recht begründen kann warum mir gerade die Hexen so gut gefallen. Vor allem die Vorfreude weiterzulesen und der Spaß beim Lesen machen es wohl aus, also eher emotionale Gründe, als konkrete Handlungselemente der Geschichten.
 
Heute möchte ich auf drei Themenkomplexe hin- bzw. verweisen, die samt und sonders in den letzten Tagen trouvaillenhaft zu mir fanden.

1. Zunächst ein rein informativer Kontext. Wer Pratchett auf deutsch liest oder bisweilen Unsicherheiten ob einiger Anspielungen im Original hat, der kann mal die folgende Seite konsultieren. Sehr ausführliche, ungemein erhellende "Textapparate" mit offensichtlich erratischem Charakter, nichtsdestoweniger für ein tiefergehendes Textverständnis eine herausragende Anlaufstelle. An anderer Stelle der gleichen Seite folgt eine ebenfalls lesenswerte Erörterung, die versucht, Pratchetts Scheibenwelt im besten Sinne populärwissenschaftlich (und doch mit erläuternden Fußnoten, gewiss auch als Ehrenbezeugung der Eigenart nämlichen Autors) einzuordnen, titelgebend in Bezug auf den Kontrast zur "Heroic Fantasy".

2. Eine Empfehlung meiner Seite für die Kompilation "Narren, Diebe und Vampire [...]", die die von 1998 bis 2008 erschienenen Scheibenweltkalender (im Buchformat) abdeckt. Es handelt sich um eine Kombination aus perspektivisch geprägten Einführungstexten (beispielsweise darüber, wie ein Wächter in Ankh-Morpork zu arbeiten habe, was im Lehrplan der Assassinengilde steht, wie sich offiziell die Vorlesungen in der Unsichtbaren Universitäten schwänzen lassen etc. pp.) und einer üppigen Auswahl aus Paul Kidbys Illustrationen, darunter einige, die in den Bänden "Das Scheibenwelt-Album" und "Die Kunst der Scheibenwelt" noch nicht vorkamen. Das Hauptaugenmerk liegt aber auf den fiktiven Einführungstexten in die Berufs- und Studienwelten Ankh-Morporks.
Das Zielpublikum ist ganz offensichtlich bestens bewandert in der Scheibenwelt und kennt idealerweise alle bis dahin veröffentlichten Werke. Auch sind längst nicht alle Jahresausgaben der Kalender wirklich instruktiv oder spannend, das Jahrbuch der Narrengilde beispielsweise verbraucht sein Leitmotiv in den ersten Sätzen und ödet den Leser zu weiten Teilen nur mit der Dehnung desselben Stoffes an. Wer aber wie ich sämtliche Bücher der Scheibenwelt kennt, sich gerne die Illustrationen ansieht und das "gewöhnliche", ja "ordinäre" Umfeld des Universums zum Leben erweckt sehen möchte, ist (auch des sehr vertretbaren Preises wegen) gut beraten.

3. Und die Kontroverse zuletzt: durch eine Amazonbewertung bin ich zufälligerweise auf ein Interview mit Gerald Jung gestoßen, der seit "Der Club der unsichtbaren Gelehrten" Übersetzer der Scheibenweltromane ist und regelmäßig vernichtende Kritiken einfährt. Im Verlauf dieses Gesprächs kommt es zu folgender Aussage:
Worauf legen Sie bei der Neuübersetzung den größten Wert?
GJ: Das habe ich teilweise oben schon angesprochen: Ich bin einfach näher am Original dran, und im Original steckt oftmals mehr, als es die früheren Übersetzungen vermuten lassen – sowohl sprachlich als auch was die vielen Anspielungen etc. angeht. Dabei ist es den brandhorstschen Übersetzungen vielleicht zu verdanken, dass Pratchett in deutscher Sprache so viel Erfolg beschieden wurde, aber sie sind doch teilweise sehr vereinfachend und auf die (vermeintlichen?) Bedürfnisse der (Achtung, Ironie! auch sprachlich weniger anspruchsvollen?) Fantasy-Leser zugeschnitten. Darauf nehme ich jetzt gar keine Rücksicht mehr und übersetze einen Pratchett mit der gleichen Ehrfurcht und der gleichen Akribie und dem gleichen Herzblut wie jedes andere Werk auch.
Auch wenn es viele eingefleischte Freunde der deutschen Übersetzungen erschrecken muss, denke ich ähnlich. Es lässt sich nicht leugnen, dass Brandhorst im Zweifelsfall lieber sprachlichen und inhaltlichen Zweifel in der Übersetzung bereinigt, anstatt die Leser der Zumutung einer raffinierten Allusion oder eines ungewöhnlichen Fremdwortes auszusetzen. Dagegen habe ich aus den beiden Jung'schen Übersetzungen durchaus den Eindruck gewonnen, dass dieser seinem Publikum mehr abverlangt, auch wenn die eigentliche Übersetzung nicht immer ganz den Standard einhält, den sie verspricht (s. dazu die letzten Beiträge); das ist indes zum Teil bestimmt auch den Vorlagen zuzuschreiben (Zusatz: hier diskutierte Jung [Benutzername: Dr.Wednesday] sogar mit den Forumsmitgliedern von ankh-morpork.de über mögliche deutsche Titel für "Snuff").

Wie seht ihr das? Ist die Scheibenwelt wohlgelittener mit den eingängigen (geradezu an der Sprezzatura geschulten), wenngleich vereinfachenden Übersetzungen Brandhorsts? Oder sollte der literarische Anspruch durchaus textgetreu widergespiegelt werden?
 
Wie seht ihr das? Ist die Scheibenwelt wohlgelittener mit den eingängigen (geradezu an der Sprezzatura geschulten), wenngleich vereinfachenden Übersetzungen Brandhorsts? Oder sollte der literarische Anspruch durchaus textgetreu widergespiegelt werden?
Ich bin ehrlich, ich habe den Unterschied bisher nicht bewusst wahrgenommen. Teilweise auch deshalb weil ich, wie weiter oben schon geschrieben, einfach zu viel pro Jahr lese, als dass ich mich im Detail an das vorvorletze Pratchett Buch noch genug erinnern könnte. Ich müsste mich eigentlich immer in den Tagen dazu äußern, in denen ich ein Buch gerade lese, Monate später braucht man mich da nicht mehr fragen. Ich weiß nur, dass ich mich vorgestern wieder aufgeregt habe, ich habe nun auch Steife Prise begonnen und fand die Übersetzung "Wurzelbier" für Root Beer doof, es gibt Eigennamen die darf man dem deutschen Leser mittlerweile zutrauen, die muss man nicht übersetzen.

Edit: Ich habe gerade das erste Mal nachgeschaut wie so die originalen Namen sind (bei etlichen Namen war es eh klar, weil man sie sich selbst zurück übersetzen kann), bisher wusste ich schon bevor ich die Reihe begonnen habe, dass wohl die Übersetzungen (unabhängig vom Übersetzer) bei den Fans die die Originale kennen, nicht besonders beliebt sind.

Ich frage mich da wirklich, wieso man früher auf den Nachnamen "Käsedick" für Ramkin gekommen ist, oder jetzt im aktuellen Buch Steife Prise auf den Namen "Aufstrich" für Upshot kommt, wo doch Upshot so schöne direkte 1zu1 Übersetzungen hat, die dann auch eine konkrete Aussage in sich tragen. Keine Ahnung wie ich "Aufstrich" mit dem Wächter in dem Buch verbinden soll, mir wird der Zusammenhang da bisher nicht klar, bei Aufstrich muss ich zumindest immer an Essen denken, keine Ahnung ob das in einer anderen deutschen Region noch eine andere Bedeutung hat. Gleiches gilt für den Titel Steife Prise. In dem von KOG verlinkten Forum wird es ja diskutiert, vonwegen das eine Prise in Bayern eine Portion Schnupftabak ist, das ist für mich als Norddeutschen nicht sofort klar. Hier wird es dann eher für eine Prise Salz oder so verwendet, ist aber nicht sofort als Anspielung auf Mumms Schnupftabak zu erkennen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich weiß nur, dass ich mich vorgestern wieder aufgeregt habe, ich habe nun auch Steife Prise begonnen und fand die Übersetzung "Wurzelbier" für Root Beer doof, es gibt Eigennamen die darf man dem deutschen Leser mittlerweile zutrauen, die muss man nicht übersetzen.
Aus der leidgeprüften Erfahrung insb. der letzten Jahre heraus kann ich den Einwand nachvollziehen. Im Grunde meines Herzens sehe ich das im vorliegenden Fall aber anders.

Harry Rowohlt konstatierte einmal (wenngleich unverkennbar ironisch, so doch nicht ohne wahren Kern): "Ich werde nicht dafür bezahlt, 'Sandwich' mit 'Sandwich' zu übersetzen, sondern mit 'Klappstulle'". Mein liebstes Vorzeigeobjekt für makellose deutsche Verortung stellt das Entenhausen der Dr. Erika Fuchs dar - "Entenhausen" ist nicht nur eine Übersetzung von "Duckburg", sondern eine ganz andere Welt. Erdkundelehrer hören auf den Namen Semmelbauch, wo es ging, reisten die Ducks auch nach Basel, Hamburg oder Wien, man hat Bayern zum Nachbarn ("Gockl, narrischer! Batz, damischer! Drecklackl, ausgschamter!"), unterschiedliche Personen haben gewisse Soziolekte (Dagobert spricht beispielsweise noch von "Narrenspossen" und von "lauterem Gold in sandhaltigen Flözen handlicher Mächtigkeit, aber in geringer Saigerteufe"), Donald trinkt auch mal Schnaps, wo in den amerikanischen Originalen doch nie Alkohol auch nur erwähnt wurde.
Kurzum: eine Phantasiewelt liegt eben nicht im luftleeren Raum, sondern ist kulturell eingebettet. Wir sprachen in diesem Thema schon davon, wie z.B. Australier oder Briten aus diesem und jenem Witz besonderen Gewinn ziehen, eben deshalb, da die Fiktionalität eigentlich nur vorgebliche Kulisse ist, wie bei einer Äsopfabel, der Humor sich aber an sehr konkreten Begebenheiten abspielt. Das muss einem deutschen, französischen oder finnischen Leser verschlossen bleiben, wenn er eine sich sklavisch an die Vorlage haltende Übersetzung liest, da er nicht nur die englische Vorlage, auf die sich bezogen wird, kennen müsste, sondern noch den vor ihm liegenden übersetzten Text wieder retranslatieren müsste und dann in Verbindung setzen zu der fraglichen Schablone. Das gelingt aber nur bei offensichtlichen Anspielungen oder ausgemachten Kennern z.B. britischen Fernsehens.

Mit welcher Herkulesarbeit ein Unterfangen dieser Größenordnung verbunden wäre, weiß ich. Ich beschwere mich auch nicht darüber, dass die Übersetzungen so nicht angelegt werden, geschweige denn ausgeführt. Als Ideal belasse ich eine virtuose Übertragung auch der Eigennamen, Wortspiele und Situationen ins Deutsche aber bestehen, auch wenn das bedeutet, dass Erbsenzähler, die am liebsten die Vorlage wortwörtlich übersetzt sähen, sich beschwerten.


Ansonsten möchte ich noch eine unbedingte Empfehlung für das Brettspiel "Scheibenwelt" aussprechen. Zwei bis vier Spieler ziehen verdeckt eine Persönlichkeitskarte und müssen bestimmte Bedingungen je nach gezogenem Charakter erfüllen, um zu gewinnen. Die Adeligen erhalten den Auftrag, eine bestimmte Anzahl von Bezirken unter ihrer Kontrolle zu halten, der Troll Chrysopras benötigt 50 Dollar, Vetinari muss Handlanger aussenden usw. Das Geschehen findet seinen Schauplatz in Ankh-Morpork; wie es sich gehört, verhält sich das Spiel schrecklich chaotisch. Da jeder Spieler nur über zufällig gezogene Karten Aktionen ausführen kann und bisweilen völlig unvorhersehbare Dinge geschehen, löst sich nahezu jeder Vor- und Ansatz von Strategie und Taktik auf - Gebäude werden abgefackelt (durch die Feuerwehr natürlich), Handlanger ermordet, die Narrengilde nimmt dauerhaft einen Platz auf der Hand des Spielers ein und blockiert diesen, Dämonen und Trolle treten auf den Plan, Geld wird gestohlen... Richtiges Vergnügen kommt selbstverfreilich nur bei Scheibenweltfreunden auf, wenn Nobby Nobbs den Gegenspieler um drei Dollar erleichtert oder wenn Rincewind die schlimmsten Ereignisse auslöst. Aber auch unbefangene Mitspieler können durchaus Spaß aus der kurzweiligen Natur des Spiels ziehen. Mein einziger Kritikpunkt sind die etwas hässlichen Illustrationen der Karten, ich hätte mir als Kidby-Freund schon gewünscht, dass er seine Werke hinzusteuert. Aber das tut dem Vergnügen keinerlei Abbruch.
 
Du sprichst da etwas interessantes an. Mit deinem Beispiel Entenhausens und der in der Übersetzung neu erschaffenen Welt, die ihre Eigenheiten erst durch die Übersetzung erhält. Denn dies ist doch auch bei den Scheibenweltromanen geschehen, die deutsche Scheibenwelt war in gewisser Weise anders als das englische original. Dies wird aber nun durch den neuen Übersetzer gestört, die alten gewohnten Dinge werden verfälscht. Es fühlt sich nicht mehr so an, als ob man einen Ausflug in die altbekannte und lieb gewonnene Scheibenwelt macht, wenn Mumm plötzlich als "Chef" angesprochen wird oder Personen in einer anderen Sprachweise sprechen (das Extrembeispiel im neusten Buch ist wohl Vetinari). Man kann das einfach hinnehmen und die neuen Bücher nun trotzdem genießen, oder man stört sich daran. Ich muss zugeben, dass es mich dann doch stört (aber nicht stark genug, als dass ich das Buch gar nicht mögen würde). An Buchreihen mit wiederkehrenden Protagonisten ist für mich eigentlich immer auch der Wiedererkennungswert sehr wichtig, nicht nur die Qualität der Handlung.
 
Allem Anschein nach befindet sich die mehrmals angekündigte, zwischenzeitig in Vergessenheit geratene Fernsehserie um die Stadtwache wieder in der Mache, wenn auch in einem sehr frühen Stadium (siehe hier und hier; beim Wikipediaartikel geht es v.a. um die weiterführenden Links). Gesetzt den Fall, dass die zusammengetragenen Informationen auf terrypratchett.co.uk/forum richtig liegen (wovon ich prima facie ausgehe), weckt das in dem Maße Erwartungen in mir, wie es mich nervös macht. Eine offizielle, ja kanonale Serie nach "Snuff", die auf ggf. noch folgende Romane Einfluss nimmt? Mit Verweis darauf, dass Charaktere sterben könnten? Folgende Möglichkeiten sehe ich:

- Nach der kaum zu leugnenden Enttäuschung durch die letzten Romane findet sich ein ambitionierter Drehbuchschreiber, der an vergangene Tage anknüpft und den entsetzlichen Stillstand, der eingetreten ist, endlich wieder auflöst. Man sollte sich vergegenwärtigen: die Zeitspanne von "Guards! Guards" bis "The Fifth Elephant" umfasst etwa drei Jahre, von da aus bis "Snuff" sind es mit Gewissheit über sechs Jahre (in TFE war Sybil schwanger, in "Snuff" ist der kleine Sam sechs Jahre alt). Die letzten Bücher (und "Snuff" in herausstechender Manier) drehen sich nahezu vollständig um Mumm, Karotte ist fast vollständig in den Hintergrund getreten (aus allerdings verständlichen Gründen), die Beziehung zwischen ihm und Angua bleibt einigermaßen vage, Fred Colon hat das Pensionierungsalter offenbar weit überschritten...
Da könnte ein einstündiges Fernsehformat frischen Wind hereinlassen. Wenn tatsächlich mehrere Staffeln geplant sind und diese aus je dreizehn Folgen bestehen, liegt es sehr wohl im Bereich des Möglichen, dass endlich andere Charaktere mehr ins Rampenlicht treten und sich weiterentwickeln können. Vielleicht sogar mit Ausblick darauf, was aus der Wache nach Mumms Ableben (vorher wird er wohl kaum ruhen) wird - mittlerweile ist ja auch Angua im Rang eines Hauptmanns, es bestehen folglich mehrere Öffnungen in der "Hose der Zeit".

- Die Serie enthält zwar die Scheibenwelt im Namen, spielt sich auch darin ab, berührt aber bestenfalls randläufig die bisherigen Handlungsstränge. Es ist in den Links die Rede davon, dass drei neue Figuren den Zuschauer durch das Geschehen leiten werden. Womöglich sehen wir die bekannten Gesichter nur periodisch, ohne dass persönliche Belange berührt werden, und es wird tatsächlich eine Art "CSI: Ankh-Morpork" mit dem Scheibenweltschauplatz, um neue Zuschauergruppen zu erschließen. Das brächte der geschundenen Seele keine Linderung, wäre aber auf harmlose Weise ärgerlich und daher einfach zu ignorieren.

- Der Holzhammer schlägt endgültig zu und zertrümmert alles, was heilig ist. Jahrelang mühsam akkretionierte Vorstellungen von der Stadtwache gehen den Bach herunter, Charaktere fallen völlig aus der Rolle (am Ende gar so, dass man für fünf Minuten gar nicht realisiert, dass diese Witzfigur im Fernsehen tatsächlich den geliebten X darstellen soll), werden bis zur Unerkenntlichkeit in die Bedeutungslosigkeit verbannt (konsequente Weiterführung von "Snuff" also) oder müssen gar sterben. Eine schreckliche Vorstellung!

Ich für meinen Teil versuche, verhalten optimistisch zu bleiben, auch wenn ich eine gewisse Nervosität nicht leugnen kann. Mein armes Herz könnte es schwer ertragen, wenn meine liebgewonnenen Freunde aus der Wache Wiedergänger ihrer selbst würden. Ich sehe erhebliches Potential, gleichwohl eine ebenso erhebliche Fallhöhe. Wie sehen das die werten Mitleser?


@NightGoblinFanatic:
Denn dies ist doch auch bei den Scheibenweltromanen geschehen, die deutsche Scheibenwelt war in gewisser Weise anders als das englische original. Dies wird aber nun durch den neuen Übersetzer gestört, die alten gewohnten Dinge werden verfälscht.
Ich habe den Eindruck, dass der Manhattanverlag das ohnehin wieder geradebügeln wird. Gerald Jung und Regina Rawlinson (Übersetzerin des letzten Tiffany-Weh-Romans) übersetzen offenbar wenn nicht alle, so doch sehr viele Werke der Scheibenwelt neu, könnten also auf einer ex-post-facto-Basis den Gesamtstil (zu) ändern (versuchen). Manche Gewohnheiten gehören wohl auf den Prüfstand: es fühlt sich zwar richtig an, dass sich nahezu jede Person mit einer anderen duzt, aber ist das wirklich so wahrscheinlich? Wertete es nicht auch die deutsche Verortung der Scheibenwelt auf, wenn Sachverhalte nicht unterkomplex, geradezu vernakular behandelt werden? Ich stimme Dir aus ganzem Herzen zu, dass Jung derzeit noch als Fremdkörper wirkt, aber wenn er einen Pinselstrich für das Gesamtwerk findet, mag er Brandhorst übertreffen.
Davon abgesehen: dass manche Personen neuerdings aus der Rolle zu fallen scheinen, hängt auch mit den Originalen zusammen. Dass der Patrizier über Kreuzworträtseln die Fassung verliert, lacht, joviale Bemerkungen macht, kurzum in einem Maße menschlich wirkt, dass es die Pathologie seiner Persönlichkeit auszuhebeln droht, liegt in erster Linie in Pratchetts eigener Verantwortung. Da ist es tröstlicher, auf den Sack einzudreschen, wenn man den Esel meint, aber gewiss nicht ehrlicher.
 
@NightGoblinFanatic:

Ich habe den Eindruck, dass der Manhattanverlag das ohnehin wieder geradebügeln wird. Gerald Jung und Regina Rawlinson (Übersetzerin des letzten Tiffany-Weh-Romans) übersetzen offenbar wenn nicht alle, so doch sehr viele Werke der Scheibenwelt neu, könnten also auf einer ex-post-facto-Basis den Gesamtstil (zu) ändern (versuchen)
Ist trotzdem doof, weil ich garantiert die neu übersetzten (alten) Bücher nicht erneut in der Neuübersetzung lesen werde 😉.
 
Was halten die Herrschaften denn von den französischen Titelbildern der Scheibenweltromane (zum Vergrößern (mehrmals) anklicken)?
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Es handelt sich um die Arbeit von Marc Simonetti, der auf seinem Blog nicht nur alle scheibenweltbezogenen (und andere) Werke präsentiert, sondern bisweilen noch in anschauungsreichen Youtube-Videos dokumentiert, wie diese Bilder zustandegekommen sind.

Der Stil erinnert mich in seiner oftmals satirischen Überspitzung an die "hässliche Bizarristik" Josh Kirbys, versucht aber unverkennbar, die Charaktere nach den Romanschilderungen (und nach meinem Dafürhalten am Vorbild Paul Kidbys) zu erstellen, anstatt ziemlich zufälligen Kriterien nachzugehen (wie Kirby). Interessant sind die Illustrationen allemale, wenn sie auch nicht ganz meinen persönlichen Geschmack treffen.

Wie schaut's bei euch aus? Ich für meinen Teil finde, dass Kidby sich so inspirativ an Pratchetts Vorlagen hält, dass er als Kanon gelten kann, kenne aber Leute, denen tatsächlich die alten Kirby-Umschlagsmotive gefallen.
 
Super, besser als die schäbigen neuen Cover hier. Ich mochte die alten, und die da erinnern mich daran 🙂.


Der Stil erinnert mich in seiner oftmals satirischen Überspitzung an die "hässliche Bizarristik" Josh Kirbys,

Ich hab mir immer einen Spaß draus gemacht, die Charaktere da rauszusuchen, oder verwechsele ich da was?
 
Ich hab mir immer einen Spaß draus gemacht, die Charaktere da rauszusuchen, oder verwechsele ich da was?
Es ist schon gut möglich, dass man über einem der alten Kirby-Bilder grübelt, welche Figur was repräsentiert, immerhin haben sie nur in seltenen Fällen etwas mit der eigentlichen Vorlage gemein. 😉

Aber wenn wir schon beim Thema Bilderrätsel sind: das hier (zum Vergrößern wiederum anklicken)

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ist das Umschlagsbild von "Die Nachtwächter"/"Night Watch", aus der Feder von Paul Kidby, unverkennbar angelehnt an Rembrandts "Die Nachtwache". Die abgebildeten Personen scheinen allesamt (oder zumindest so gut wie alle) im Roman namentlich erwähnte Personen zu sein. Die meisten erkenne ich auch, bei anderen bin ich mir nicht so sicher.

Von links nach rechts und von "oben nach unten":
- Heini der Hamster mit Gipsarm (keine Ahnung, wie der im Original heißt; wer ganz genau hinsieht, erkennt sogar den Schriftzug "With love from John Keel"),
- Carcer im "sympathischen" Riktus erstarrt und mit zwei Messern in der Hand,
- Dr. Rasen/Lawn mit seiner Spritze für den Truthahn (?),
- Lu-Tze,
- Vetinari im Hintergrund mit der für ihn typischen Fingerhaltung,
- Nobby mit dem Löffel der Wache,
- Reg Schuh/Shoe mit dem Wappen Ankh-Morporks,
- Billy Wiggel/Wigglet (die zwergenhafte Gestalt mit der zu großen Rüstung und dem zu großen Helm),
- John Keel resp. der alte Mumm/Vimes,
- Fred Colon (der korpulente Wächter nahe des Torbogens),
- Ned Coates (reine Vermutung meinerseits, da dieser die Hellebarde in Richtung Mumm schwingt und dieser argwöhnisch dorthin blickt),
- der junge Mumm/Vimes,
- Horatio Nimmernich/Horace Nancyball (der größere Mann neben Colon; ich gehe davon aus, da er der größte Wächter auf dem Bild ist und als solcher im Buch geschildert wird),
- Klaus Klappmann/Cecil Clapman (der gebückte Wächter mit dem Schlüsselbund neben dem jungen Mumm),
- Dai Dickins (er trägt einen Schnurrbart und sämtliche in der Glorreichen Revolution umgekommene Wächter sind portraitiert, also ist das naheliegend),
- Finddich Schwung/Findthee Swing (der Herr, der mit seinem ausgestreckten Arm beinahe Dickins berührt und das Stahllineal in der anderen Hand hält).

Ich habe keine Ahnung, wer die drei Wächter oben am Torbogen sein könnten (Klopf? Schrulle?), die von Schuh und Colon eingerahmt werden. Unter den drei mutmaßlichen Unaussprechlichen zwischen Heini und Carcer sind wiederum mutmaßlich die eingebuchteten Spione/Einbrecher. Die Männer am rechten Rand kann ich auch nicht identifizieren (der aristokratisch aussehende Herr neben Schwung scheint aber eine Rolle zu spielen). Bei Coates, Dickins und Nimmernich bin ich mir nicht hundertprozentig sicher, aber es passt ziemlich gut zusammen. Hat irgendwer vielleicht noch weitere Anhaltspunkte?


Ich bevorzuge eindeutig die Bilder von Paul Kidby (leider ist es nicht ganz so einfach, einige meiner persönlichen Favoriten auf die Schnelle im Netz aufzutreiben, die wenigstens eine annehmbare Qualität aufweisen und größer sind als eine Kamee auf einem alten Ring, darum wieder Vermischtes):

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(Ich will der Ehrlichkeit allerdings Genüge tun und bemerken, dass es mich Wunder nimmt, wie lang der linke Unterarm des jungen Karotte auf dem ersten Bild zu sein scheint - da macht er dem Bibliothekar Konkurrenz!)
 
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