Markus zieht ein weiteres Mal an dem Lho Stick zwischen seinen gesprungenen Lippen. Inhaliert tief und lässt die milde, narkotisierende Wirkung über sich hinweggleiten. Eine Flasche Amasec rollt ausgetrunken von seinem Schoß und zerspringt auf dem schmutzigen Boden in dem heruntergekommenen Apartment. Irgendwo verloren auf der Hive Welt Skrill X, Slum Viertel, eins von unzähligen. Noch weitaus schlimmeren Abschaum wie Markus gibt es nur noch einige Etagen tiefer, aber das ist eine ganz eigene Welt für sich. Eine Welt die einen Kleinkriminellen wie Markus sofort zerkauen und wieder ausspucken würde.
Markus blinzelt berauscht zu seinem Partner in Crime herüber, Punk, welcher vor sich hindöst, in einen alten Sessel gelümmelt. Alle nennen ihn nur Punk, weil er wie ein abgefuckter, scheiß Verlierer aussieht. Grüne, schmierige Haare, versiffte Klamotten und abgelaufene Stiefel. Markus Haare sind wenigstens grob zurückgekämmt, seine Klamotten riechen immerhin nicht nach Exkrementen und seine Schuhe sind auch noch nicht bis auf die Sohlen durch. Das ist schonmal was.
Plötzlich greift Markus, aus einem Impuls heraus, zu Laras entblößten Brüsten, welche sich neben ihm räkelt, ein Freudenmädchen das ihre besten Tage sicherlich schon seid über einem Jahrzehnt hinter sich hat. Strohblond, nettes Gesicht, aber etwas ausgemergelt, bedingt durch exzessiven Drogenkonsum, um die Misere ihres Lebens für einige zugedröhnte Momente vorrübergehend verdrängen zu können. Er und Punk kennen sie seit sie hier noch als Kinder zusammen aufgewachsen sind, in diesem Scheißloch von Welt. Sie geben Lara einen kleinen Anteil ihrer Raubzüge, lassen sie manchmal hier wohnen und im Gegenzug kümmert sich Lara um die Bedürfnisse der beiden Unternehmer.
Er überlegt kurz ob er und Lara ein bisschen…dann blickt er aber an sich herunter, da ist erstmal nichts zu machen. Zu vollgedröhnt für irgendeine Art von Action innerhalb der nächsten Stunden. Er will gerade wieder wegdösen, die Beute vom letzten Raubzug, Kippen und Sprit, liegen noch verstreut auf dem Boden, da pocht es dumpf an der Tür. Oder klingt es nur so dumpf in seinem Kopf?
„Schon gut, ich komm ja schon.“ Mit zusammengekniffenen Augen öffnet er die Tür. Schneider, ein Dealer und Zuhälter den er so lala kennt steht im Flur. Mustert ihn grimmig, mit seinen fast schon raubvogelartigen Gesichtszügen. Ein Schläger von Schneider, den Markus nur einmal in dessen Gangster-Bar gesehen hat, muskulöser Typ mit einem augmentierten, rechten Auge, bedrohlich rot leuchtend, steht hinter Schneider. Überragt diesen locker um eine Kopflänge. „Haben sie dir und deinem Partner jetzt vollends ins Gehirn geschissen? Wisst ihr überhaupt welchen Laden ihr da abgezogen habt? Und wofür?“ Er blickt verurteilend in den Raum, studiert kurz das Chaos, inklusive der Beute. Wie erbärmlich.
So viel Information auf einmal. Markus muss sich erst die einzelnen Wörter und dann darauf aufbauenden Sätze zurechtlegen. Seine Antwort fällt kürzer und weniger geistreich aus als er es eigentlich zuvor beabsichtigt hat. „Was?“
Schneider wirkt jetzt nur noch gereizter, sein Mann fürs Grobe knackt unheilvoll mit den Knöcheln. „Pass auf, kurz und knapp.“ Er drückt Markus einen Zettel in die Hand. „Da steht alles drauf. Kümmert euch drum, ansonsten wird man sich um euch kümmern.“ Darauf geht Schneider, mit dessen Handlanger im Schlepptau. „Für so einen Kindergarten-Bullshit habe ich keine Zeit.“ Meint Markus ihn noch nuscheln zu hören.
Er kratzt sich ungläubig am Kopf. Klar, er ist der Oberchecker, das Gehirn seines Teams, aber das war jetzt eine wahre Informationsbombe. Er versucht die wenigen Zeilen auf dem Zettel zu lesen. Selbst nicht vollgedröhnt schon eine Herausforderung. Eine halbe Stunde später, weiterhin sich am offenen Türrahmen festklammernd, meint er die Information ausreichend genug verarbeitet zu haben.
Er geht zu Punk herüber, welcher weiterhin in einem abgenutzten Sessel seinen Rausch ausschläft. Er rüttelt ihn mit Nachdruck wach. „Komm schon, wir müssen los. Die Arbeit ruft.“ Punk noch völlig neben der Spur, doch Markus weiß Rat. Beide ballern sich Knaller, eine billige chemische Droge vom Schwarzmarkt um die Ecke. Meist übel verschnitten, ja auch dieses Zeug, definitiv, Markus meint sein Gehirn fängt Feuer. Doch es macht einen wieder munter. Die geweiteten Pupillen der beiden ziehen sich innerhalb von Sekunden zu Stecknadeln zusammen, beide inhalieren dabei in hektischer Schnappatmung frische Luft tief in ihre Lungen. Putschen sich Zug für Zug immer weiter auf. Volle Power. Yeah Baby!
Markus steckt sich seine alte Laserpistole in die Jackentasche. Der Griff ist schon vor Jahren abgebrochen, mittlerweile durch ein abgegriffenes Stück Holz ersetzt. Kein Kunstwerk, soviel steht mal fest, aber praktisch. Die Energiezellen knapp zu 50% geladen. Das sollte reichen. Punk steckt sich sein Messer, ein umfunktioniertes, verrostet Bajonett der imperialen Armee, in die Tasche. Abflug.
Beide pressen sich durch die Menschenmenge draußen in den heruntergekommenen Straßen. Aus Lautsprechern an den Kreuzungen tönen blecherne Parolen der imperialen Armee, welche stetig versucht ist, neue Rekruten für die Front anzuheuern. Trotz der konstanten Beschallung hört kaum noch jemand ernsthaft hin, es verkommt zu einem Grundrauschen im konstanten Gewusel der lebenden, pulsierenden Stadt. „Was geht überhaupt ab, Alter?“ Aufgedreht durch die Knaller vorhin, giert Punk jetzt nach Informationsbrocken. Nur nicht zu viel auf einmal, womit sein kleines Gehirn überfordert sein könnte. Markus überlegt was er seinem Partner sagen kann und was nicht. Verdammt, selbst er versucht immer noch seine losen Gedanken zu ordnen. Da ist diese Adresse von diesem Lagerhaus an den Docks, schon eine deutlich bessere Gegend. Arbeiterviertel immerhin.
„Da ist diese Adresse…“ dann hat er wieder den Faden verloren. Nicht schon wieder. Das sind diese billigen chemischen Drogen. Früher wollte er es nie glauben das das Zeug einem die Birne auf Dauer weich macht, mittlerweile hat er da aber so einen Verdacht…was war nochmal?
„Ok, geht klar, dann machen wir das Ding. Lass krachen!“ Zum Glück braucht Punk nie viel Information, funktioniert eher auf einem Basis Level. Nur gut das Markus der Schlaukopf ist. Doch man muss aufpassen, es gibt eine Menge Schlauköpfe da draußen. Die Kunst dabei ist den anderen Schlauköpfen immer einen Schritt voraus zu sein. Markus weiß genau was abgeht.
In etwa zur selben Zeit lässt sich Schneider in seinem Club, dem roten Korsaren, einen Drink aus feinstem Amasec einschenken. Für ihn und seinen Gesprächspartner. Er gibt der jungen, wie attraktiven Bedienung noch einen belohnenden Klaps auf dem wohlgeformten Hintern, die Kleine hüpft darauf kurz und dackelt dann unterwürfig davon. Beide sind jetzt ungestört. „Ich habe mich darum gekümmert wovon wir gesprochen hatten.“ Eine kurze, unangenehme Pause. „Dann ist es erledigt?“ Will der andere Mann wissen, ein eher unscheinbarer Mann ohne wirklich Erkennungsmerkmale in der Mitte seines Lebens. Eine Aura von Macht und Einschüchterung geht dennoch unterschwellig von ihm aus, selbst Schneider wirkt beeindruckt, wie seltsam vorsichtig. „So gut wie. Die beiden Idioten laufen geradewegs in ihr Verderben, während wir hier sitzen. Mit denen werden wir nie wieder Scherereien haben. Und das ohne irgendwas davon, in der angespannten Lage, auf uns zurückfallen könnte.“ „Gut, sehr gut.“ Stellt drauf der andere Mann fest, ob er es zu Schneider oder zu sich selbst oder niemanden insbesondere sagt, Schneider weiß es nicht und bleibt weiterhin angespannt. Erst als der Mann sein Glas geleert hat und mit einer so leeren, wie unterkühlten Floskel gegangen ist, kann sich Schneider wieder entspannten. „Diese verfluchten Vollidioten.“ Murmelt er da noch vor sich hin.
Schwester Pia und Schwester Berit vom Orden der Sacred Rose stehen beide stoisch an der Hintertür des Lagerhauses Wache. Eigentlich kein Job für Adepta Sororitas, aber die imperialen Truppen sind stark ausgedünnt, wegen einem Abnutzungskrieg mit den Tyraniden im Nachbarsystem. Auch dieser Kampfverband der Sacred Rose wird bald wieder dahin aufbrechen, man ist lediglich hier, um sich neu aufzumunitionieren und Verwundete rotieren zu lassen. Diese kleine Bewachungsaktion jetzt mehr eine Gefälligkeit der Canoness gegenüber dem Gouverneur, da die Arbitratoren im Moment voll gebunden sind für Einberufungsaktionen zur Unterstützung der imperialen Armee. Der imperiale Zehnt wurde kurzfristig per Sondervollmacht drastisch erhöht, Unruhen gibt es gratis dazu. Die Stadt bisweilen schon fast ein Pulverfass. Alle wollen leben, aber keiner dafür sterben.
Es gab einen Tipp von einem Informanten, dass irgendwelche Kriminellen, sehr wahrscheinlich vom Größenwahn besessen, einen Raubzug auf dieses Lagerhaus geplant haben. Nicht nur wartet hier wichtige Munition für die imperialen Truppen an der Front, sondern auch heilige Ausrüstung der Schwestern, frisch gefertigt und gesegnet vom Mechanikus des Mars. Was für ein Wahnsinn kann einen Menschen nur befallen haben, sich so zu versündigen? Beide Schwestern haben zeitweise darüber diskutiert und gerätselt.
„Erkennen diese Narren nicht das wir sie beschützen? Und wie sollen wir das ohne entsprechende Ausrüstung tun können? Ich verstehe es nicht…“ Pia schüttelt ungläubig den Kopf, ihr Kinn reibt sich dabei an einem der Reinheitssiegel an dem Kragen ihrer weißen Servorüstung. „Ich verstehe es auch nicht Schwester, aber wer kann den Verräter schon verstehen. Deren Verstand bleibt dem Gläubigen stets ein Mysterium. Uns bleibt einzig diese Unseligen zu läutern, auf das sich der Gottimperator sich ihrer verdammten Seelen erbarmen möge. In seinem Namen.“ „In seinem Namen.“ Beide wollen darauf gerade noch ein Gebet zusammen sprechen, um ihre Gedanken zu stählen, den Glauben zu festigen, da springt der lautlose Alarm an. Mit den Boltern in Vorhalte gehen sie herein.
Der Zahlencode für die Tür des Lagerhauses war zum Glück auf dem Zettel, den Schneider ihm gegeben hatte. Dennoch musste Markus ihn immer wieder erneut eingeben, weil bei einer solchen wahrlich gigantischen Anzahl an Nummer, wer kann sich das schon merken während man gleichzeitig tippt. - Es stehen genau vier Nummern als Code auf dem Zettel.–
Und keine Wachen, zur angegebenen Uhrzeit, laut dem Zettel. Markus musste nur ärgerlicher Weise erst einmal die Uhrzeit herausfinden, das hatte unsere beiden Schlauköpfe knapp zwei Stunden im Vorfeld gekostet. Fast hätten sie noch den Zeitpunkt verpasst. Aber Oberchecker Markus hat es dann doch noch gerade so geschafft. Wie immer. Das Glück ist auf Dauer nur mit dem Erfolgreichen. Wenn man weiß was läuft.
Es ist wie als wenn alle Feiertage des Imperiums auf ein und denselben Tag fallen würden. Beide schreiten mit großen Augen, fast schon wie Kinder, zwischen den Kisten umher. Wow.- Mist. Jetzt auch noch die entsprechenden Kisten mit den Markierungen von dem Zettel ausfindig machen. Irgendwas ist immer. Und Punk kann noch nicht mal lesen, selbst einfachste Symbole und Zeichen die Herausforderung eines ganzen Tages für ihn. Also bleibt mal wieder die Kopfarbeit an Markus hängen. Jetzt einmal den Schlaukopf anstrengen und dann…
Mit mächtigen Schritten treten zwei fast schon Lichtgestalten in strahlend weißen Servorüstungen in die Mitte der Halle, wo sich Markus und Punk gerade noch zu orientieren versuchen. Die Bolter in den Händen knacken herausfordernd. „Ergebt euch, sofort!“ Selbst ohne die Knaller vorhin wäre Markus jetzt sofort wieder nüchtern, seine Blase entleert sich automatisch, ohne dass er etwas dagegen machen kann. Vollständig entkoppelt von seinem Verstand. Sein Verstand hingegen lässt ihn mit erhobenen Händen auf die Knie sinken, hinein in die dunkle feuchte Lache unter ihm. Sein Kumpel Punk ist leider nicht ganz so ein cleverer Oberchecker. Dessen Gehirn verarbeitet die Worte und Eindrücke nicht in derselben schnellen Weise wie bei seinem Schlaukopf Kumpel Markus. Punk zieht stattdessen sein Messer. Hier und da hatte er über die Jahre schonmal plump damit gedroht, ja gar Eindruck schinden können. Dann ist man mal jemand. Einsetzen musste er es bisher allerdings nie. Aber hey, für alles gibt es ein erstes Mal, oder etwa…
Der Bolterschuss explodiert in Punks Brust und Markus muss mitansehen wie in einer gefühlten Zeitlupe, sein Kumpel von Kindesbeinen an, mit einer blutigen Ruine wo vorher noch dessen Brust gewesen ist, tot zusammensackt. „Helmut…nein!“ Ja, Helmut, das ist bzw. war Punks wahrer Name gewesen. Markus hatte es selber vergessen gehabt, als alle anderen einfach immer Punk gesagt hatten über die Jahre hinweg. Das ist … war Helmut. Sein Freund! Tränen laufen in Strömen aus Markus roten unterlaufenen Augen. „Nein. Warum nur…“ Krächzt er hervor.
Doch keine Zeit zu Trauern, da presst ihm die andere der beiden Schwestern den eiskalten Lauf ihres Bolters an die Stirn. „Sünder, jetzt sollst du gerichtet werden für deine Vergehen, in dem Namen unseres geliebten Imperators.“ Entschlossenheit rahmt dabei Pias Gesicht, Schwester Berit nickt zustimmend, nachdem sie Punk eben gerade erst mit ihrem heiligen Bolter gerichtet hat.
Markus hat nun in purer Todesangst die Trauer für Punk / Helmut in dem Bruchteil einer Sekunde vergessen. Scheiß auf den Verlierer. Das hier ist er, sein Leben. Ich, ich, ich! Er hat den unkontrollierbaren Drang seine Blase sogleich erneut zu entleeren, aber außer einigen herausgepressten Zittertropfen kommt nichts mehr. Dafür macht sich ein warmer Haufen auf der Rückseite in seiner Hose breit. Schwester Berit sieht das Missgeschick und rümpft verächtlich die Nase. „Das ist ja ekelhaft. Tu uns allen einen Gefallen Schwester und bring das hier hinter uns.“ Markus klammert sich jedoch mit zitternden Händen an den Bolterlauf. Fleht, bettelt. „Bitte, ich bereue, in seinem Namen. Nur bitte, bitte, bitte, tötet mich nicht.“ Ja, so ist es gut, wiesel dich irgendwie da heraus, sendet ihm sein Schlaukopf Verstand. Adrenalin und chemische Droge darin liefern sich ein Wettrennen durch seine zerrütteten Synapsen. Schwester Pia, die in jedem Fall Gütigere der beiden Schwestern, nimmt den Bolter zur Seite und beugt sich zu dem armen Sünder herunter. Sie nimmt sein Gesicht zwischen ihre behandschuhten Hände. Mustert ihn jetzt ganz genau, mit gütigem Blick. „Um zu bereuen musst du es wahrlich aufrichtig meinen. Bist du bereit in seinem Namen zu bereuen. Wieder in seinem Licht zu wandeln. Seinen Namen zu lobpreisen?“
„Ja Schwester, ich bereue, in seinem Namen. Ich bereue, ich bereue…“ „Ok, das ist genug. Ich werde dich nicht richten, denn du scheinst es wahrhaft ehrlich zu meinen und deine Seele ist noch nicht verloren.“ Ein Stein, nein, eine Bergwerkladung an Steinen fällt ab von Markus Herzen. Seine verkrampfte Brust, der Knoten darin, lockert sich ganz zaghaft. Er wird leben. Leben! „Ich danke euch Herrin, vielen Dank.“ Dabei fällt er vor der Schwester längs hin, beginnt die gepanzerten Stiefel zu küssen. „Danke, danke, danke…“ „Ok das reicht jetzt.“ Die andere Schwester zieht ihn recht ruppig vom Boden empor. „Dann wollen unseren reuigen Sünder mal zu seiner nächsten Station bringen, wo man dich für das -Bereuen- vorbereiten wird.“
Markus Gehirn muss diese neue Information erst einmal verarbeiten. Was hat die nicht so nette Schwester da eben gesagt. Seine wohldurchdachte Frage darauf: „Was?“
Angstscheiß überall auf seinem Körper. Er sitzt nackt und vollständig fixiert in einem nur schummerig ausgeleuchteten Raum. Der metallische Operationstisch an den er geschnallt ist macht ihm nur noch mehr Angst. In blutrote Roben gehüllt Maschinenmenschen bewegen sich abgehackt durch den Raum. Geräte summen und Knattern. Ebenso die Maschinenmenschen. Anstatt verständliche Worte, scheinen diese mit knackenden Maschinenlauten zu kommunizieren. Dann erblickt er die gütige Schwester, nicht diesen anderen bösartigen Besen die Punk erschossen hatte, nein die gütige Schwester, ganz sicher, im Türrahmen, einige Worte die er nicht verstehen kann, mit einem der verhüllten Maschinenmenschen wechselnd. „Schwester, bitte…“ stammelt er. „Bereue.“ Entgegnet diese ihm lediglich. Ja, sie klingt weiterhin gütig, aber was soll das hier werden?
Und so beginnt die Operation. Ein Bohrer der immer größer zu werden scheint fährt an einem metallischen Gelenkarm aus der Decke herab vor sein Gesicht. Vor sein rechtes Auge. Wird immer größer und größer. Scheint in das Unendliche zu wachsen. Das kann doch nicht wahr sein. Kann nur ein Albtraum sein. Irgendein mieser Tripp, wenn er nur aufwachen könnte…
Dann schreit Markus. So wie er noch nie in seinem Leben geschrien hat. Es ist dabei weniger der Schmerz, welcher beachtlich ist, als sich der Bohrer durch seinen rechten Augapfel gräbt, als wäre dieser aus Papier. Dunkle Flüssigkeit spritzt unregelmäßig mit den Umdrehungen des Bohrers, verwirbelt durch den Raum. Die Maschinenmenschen bleiben davon unbeeindruckt. Nein, es ist nicht der Schmerz, es ist urzeitliche Panik die ihn jetzt antreibt und blankes Entsetzen von vorhin dabei überschreibt. Etwas dringt in ihn ein. In seinen Verstand ein. Sein Wesen. Sein Schlaukopf. Das ist er! Sein „Ich“! Ich, ich, ich!
Er spürt die dünne Schädeldecke hinter seinem zerstörten Augapfel brechen. Klack. Und dann geht es in die weitaus weiche Materie dahinter. Aus dem Sack der sein Gehirn umgibt läuft ein bisschen trübe Flüssigkeit, da ist der Bohrer bereits zwischen seinen beiden Gehirnhälften angekommen. Es gibt überhaupt keinen Widerstand. Der Metallarm ruckt jetzt auf und ab. Dadurch zerteilt der Bohrer das Gewebe zwischen den beiden Gehirnhälften, Stück für Stück, Zentimeter für Zentimeter, mit geradezu mechanischer Präzision. Das Gefühl ist unbeschreiblich.
Es ist generell schwierig eine Lobotomie zu beschreiben. Nein nicht schwierig, einfach unnahbar. Man muss es selbst erleben. Markus erlebt es gerade hautnah. Ihm entgeht nichts. Angst, Panik, all dies Impulse und Gedanken, erst noch so überwältigend, fangen langsam an zu verschwinden. Alles verwischt und Realität und Traumwelt gehen nahtlos ineinander über. Ein fast schon wohliges Gefühl von Geborgenheit und Ruhe fängt an sich einzustellen. Ist das hier ein Tripp?
Er denkt noch einmal an Lara. Ach Lara, hätte er heute Vormittag doch nur noch einmal mit ihr…wer? Wie hieß sie nochmal? Was wollte er mit ihr nochmal machen? Wie heißt er überhaupt? Da war ein Name? Was ist ein Name? Was mache ich hier? Wo ist hier? Wer ist ich? Spielt alles keine Rolle denke ich…denke ich? Denken, in meinem Verstand. Mein Verstand? Was?
Markus ist jetzt vollständig entrückt von all dem Gewusel um hin herum. Seine beiden Arme werden unspektakulär an den Oberarmen abgetrennt. Der Blutfluss umgehend unterbunden, und grausame, maschinelle Mordinstrumente anstatt seiner Arme dort installiert. Schläuche gefüllt mit fremdartigen Substanzen an ihn angeschlossen. An seinen Rücken und seinen Kopf. Dann beginnen die Drogen zu wirken. Bereue und Ruhe. Bereue und Kämpfe. So einfach, so direkt. Mehr ist da nichtmehr.
Zeit spielt für Markus, welcher jetzt Einheit BF-132 heißt, keine Rolle mehr als er auf dem Schlachtfeld zusammen mit den Schwestern der Sacred Rose steht. Er steht nur so lange, wie lange kann er nicht sagen, sagen kann er generell nichts mehr, bis er aktiviert wird. Dadurch werden die Drogen in erhöhtem Maße durch seinen Körper gepumpt. Er will losschlagen, muss losschlagen. wollen, müssen, all diese Konzepte verschmelzen zu einem undefinierbaren Brei. Für ihn. Hier und da flackern von Zeit zu Zeit isolierte Eindrücke durch seinen ausgehöhlten Verstand. Bilder von einem Mann der an einem Lho Stick zieht. Ist er dieser Mann…dieser Mann einmal gewesen? Was ist ein Lho Stick? Eine attraktive Frau im Arm. Was ist eine Frau? Und was macht man damit? Punk döst noch. Wer oder was ist ein Punk? Helmut?
Ein Schalter wird umgelegt und BF-132 stürmt als entbehrliche Schocktruppe nach vorne. Vor ihm zieht Rauch durch die Luft und unmögliche Gestalten schälen sich aus einer Art sporenartigem Wabern. Er schlägt nach vorne, mit seinen metallischen Extremitäten, ohne Rücksicht und bar eines Gedankens an Selbsterhalt. Er muss bereuen. Bereuen. Bereuen. Er weiß zwar nicht mehr was es überhaupt bedeutet zu bereuen, aber er weiß ganz sicher das er nichts lieber als dies tuen möchte. Bereuen. Bereuen. …
Da zerschlägt eine sensenförmige Klaue ihn in zwei blutige Hälften, welche weit durch die Luft über das Schlachtfeld geschleudert werden. Zuerst war da Markus, dann Einheit BF-132, dann ist da nichts mehr. Existenz … Ich … Ende. Nichts. Überhaupt gar nichts. Bereue. Nichts. Ich.
Ende